KOMMENTAR I Verantwortungsgemeinschaft

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Seit Bekanntwerden des Koalitionsvertrags mäanderten Tweets über eine neu einzuführende Verantwortungsgemeinschaft durch die Medien. Sie lassen uns im Diffusen, was genau darunter zu verstehen sein wird. Auch wenn es die Fantasie anregt, was alles ein solches neues Institut sein könnte, sollte nicht der Eindruck erweckt werden, Ehe und Familie hätten als rechtliche und soziale Institutionen ausgedient. Die Familie ist nicht nur eine (emotionale) Beziehung, sie ist auch eine ökonomische Einheit mit Rollen und Funktionen wie Erziehung, (emotionale) Ernährung und Begleitung. Soll jetzt maximale Flexibilität und Individualität an die Stelle dauerhafter Verbindlichkeit treten? 
Richtig an der Diskussion um die Verantwortungsgemeinschaft ist, dass sie den Blick weitet: Praktisch gesehen sind schon jetzt nicht nur Eltern für Ihre Kinder et vice versa verantwortlich. Wir suchen Patentanten und Patenonkel, Kindergärten, Schulen, Vereine, Kirchengruppen und Pflegende, die uns zur Seite stehen. Um in dauerhafter Verantwortung füreinander in gelebter (Nächsten-)Liebe zu leben. Nicht immer ist der Alltag mit den verschiedenen Vereinbarkeiten und Anforderungen einfach. Hier gilt es, die Grundlagen für alle Menschen für gutes Aufwachsen, Sorge und Schutz in Abhängigkeiten sicherzustellen. Denn diese Werte tragen unsere Gesellschaft.
Hier ist die Bundesregierung gefordert, bestehende Familienstrukturen zu unterstützen, bessere Anerkennung von Sorgeleistungen mit verschiedenen finanziellen und zeitlichen Modellen zu schaffen und mehr Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu generieren. Dies gilt ebenso hinsichtlich von Armutsprävention, Unterstützung in schwierigen Situationen, guter Bildung und Chancengleichheit.
Durch diese Investitionen entsteht Vertrauen, sie führen zu Wohlstand, Sicherheit und Frieden, wovon alle, nicht nur Familien profitieren. Fraglich bleibt, welches Interesse der Staat daran hat, jederzeit kündbare Zweckgemeinschaften außerhalb der bestehenden Modelle rechtlich abzusichern und finanziell zu fördern. Wenn es nicht ein neoliberaler Ansatz sein sollte, der die Sorgearbeit individualisiert, den Schutz der Schwächeren vernachlässigt und den Staat aus der Verpflichtung nimmt.

Ulrich Hoffmann
Präsident des Familienbundes der Katholiken