KOMMENTAR | Mehr Ehrgeiz, bitte!

Es war ein weiter Weg zum Koalitionsvertrag von Union und SPD, dessen Ende sich rückblickend als naheliegend erweist, weil es das Bestehende besiegelt. Der dritten Großen Koalition ist das Terrain geebnet. Wer die „Jamaika“-Verhandlungen dabei als Umweg begreift, eine mögliche Minderheitsregierung der CDU als Wagnis fürchtete, der ignoriert die gestalterische Kraft, die von diesen neuen Konstellationen hätte ausgehen können, einmal durch die Einbindung kleinerer Parteien, aber auch durch die lebendige Arbeit des Parlaments. Davon profitiert hätte auch die Familienpolitik, wie im schwarz-gelb-grünen Sondierungspapier zu besichtigen war. Und auch von der SPD hätten in der Opposition wichtige Impulse ausgehen können.

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD liegt nun vor. Auch er stärkt die Familienpolitik. Die Vorhaben setzen grundsätzlich richtige Akzente. Beispiel Kindergeld: Die angekündigte Anhebung um 25 Euro pro Kind ist dringend geboten angesichts steigender Lebenshaltungskosten und der nur mageren letzten Erhöhungen. Gerade für einkommensschwächere und armutsgefährdete Familien, darunter Alleinerziehende, schafft das steigende Kindergeld Entlastung. Dem trägt auch der aufgestockte Kinderzuschlag Rechnung. Kindergeld und Kinderzuschlag dürfen jedoch nicht nur erhöht, sondern müssen künftig in einem reformierten Gesamtmodell zusammengeführt und leichter zugänglich gemacht werden. Es ist nur sozial gerecht, wenn beim künftigen Kinderzuschlag abrupte Abbruchkanten vermieden und die Leistungen bei steigendem Einkommen schrittweise abgeschmolzen werden, wie es der Familienbund in seinem reformierten Kindergeldmodell vorgeschlagen hat. Warum der Gesetzgeber die Einführung des höheren Kindergeldes jedoch in die Zukunft der Jahre 2019 (10 Euro zum 1.7.) und 2021 (weitere 15 Euro zum 1.1.) verschiebt, bleibt völlig unverständlich angesichts der seit Jahren hohen Familienarmut in Deutschland. Ein künftig sozialdemokratisch geführtes Finanzministerium ist hier in der Pflicht.

Uneingelöst bleibt die Ausweitung des Elterngeldes. Der Familienbund hatte sich dafür stark gemacht, dass Eltern über die gesamte dreijährige Elternzeit finanziell unterstützt werden, statt wie bisher nur über höchstens 14 Monate. Solcher Korrekturbedarf, aber auch Halbherzigkeiten wie bei der nur unzureichenden Ausweitung der Mütterrente, zeigen sich immer wieder. Für die konkreten politischen Umsetzungen in nächster Zukunft kann deshalb nur gelten: Mehr Ehrgeiz, bitte!

Stefan Becker
Präsident des Familienbundes der Katholiken